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In Shanghai

Das erste eigentliche und spezifische “Shanghai”-Erlebnis ist, wenn sich unsere Zufahrtsstraße aus einem aus auf über 20 Meter hohen Stelzen laufenden Bahnen geflochtenen Knotenpunkt heraus zum Highway erhebt:

Dann eröffnet sich ein unglaubliches Häusermeer, von immer neuen Hochhausinseln durchbrochen, tatsächlich ein wogendes Meer. Wir kennen in Deutschland aber auch gar nichts irgendwie Vergleichbares: Frankfurt/Mainhattan würde hier als Stadtteil, eben eine dieser Inseln, untergehen.

14 Millionen offiziellen Einwohnen gesellen sich ca. 3-4 Millionen Wanderarbeiter hinzu und diesen 17-18 Millionen Menschen hat man ins Stammbuch geschrieben:

Diese Stadt soll eine Weltstadt werden und zwar bitte gestern noch!

Faktisch hat das noch nicht wirklich geklappt, aber rein optisch steht dieser Anspruch absolut außer Frage und diese erste Kulisse findet noch Fortsetzungen und Steigerungen:

So am “Peoples Square”: große Flächen, musikbegleitete Wasserspiele, Heere weißer Tauben und wirklich spektakuläre Architektur.

Aber alles was Shanghai war, ist und noch sein möchte bündelt sich wohl nach wie vor am allerbesten am “Bund”, der “wai tan”, der “Promenade/Wall/Bühne der Fremden”. Der Name “Bund” kommt vom amerikanischen “bund” für Kaimauer und bezieht sich auf die ersten aus Steinen, Sand und Lehm gebauten Wälle, die das ursprüngliche Schwemmland am Huangpo besiedelbar machten.

Zu dieser berühmten Uferstraße flaniert man vom “Peoples Square” über die Einkaufsmeile “Nangjing Lu”. Zunächst eingeschlossen und gefangen von mit Leuchtreklamen und hausgroßen Werbetransparenten zugepflasterten Kaufhausfassaden aller Art sieht man lange nur einen winzigen Ausschnitt der Uferpromenade. Aber schließlich steht man dann tatsächlich am Bund:

Effektvoll beleuchtete, koloniale Prunkbauten der “Dirty Thirties” (als Shanghai protegiert von Amerikanern, Engländern und Franzosen 80% des Weltopiumhandels abwickelte) im Rücken, blickt man über den breiten, von Ausflugs-, Binnenhandels- und Kreuzfahrtschiffen gesäumten und befahrenen Fluss Huangpo auf das “Shanghai-Boomtown” von heute, “Pudong” mit dem 468 Meter hohen Fernsehturm und über 420 Meter hohen “Jinmao Building” (und natürlich weiteren Geschäfts-Gebäuden, die überall sonst durchaus auffallen würden...).

Noch vor zehn Jahren wälzte sich der damals wohl völlig schwarze Huangpu an den eher ungeliebten Zeugen ehemaliger Größe aber auch eben Beherrschtheit und Ruchlosigkeit vorbei und Pudong war noch unbedeutendes Schwemm- und Wohnland.

Heutzutage versammeln sich hier allabendlich Tausende von Chinesen, als könnten sie es selber nicht glauben, und Anblicke wie diese gibt es wohl wirklich nicht sehr viele auf dieser Welt.

Auf die Frage, ob Shanghai wirklich so schön ist, wie im Fernsehen zu sehen: Das Fernsehen lügt nicht, es ist eine fantastische Stadt - aber wie sich jeder denken kann hat eine 17-Millionen-Stadt sehr sehr viele Gesichter und da gibt es auch einige, die gerade ohne Vorerfahrung sicher sehr gewöhnungsbedürftig sind:

Alte Wohnviertel mit abenteuerlichen hygienischen Verhältnissen, Lastenzieher und -radler die mit Muskelkraft alles transportieren, was ihre Gefährte aushalten, Müllsammler, Bettler. Allerdings sind Bettler selten und es gibt auch keine “Slums” im eigentlichen Sinne. Für viele ist gar der Besuch in den Altstadtvierteln mit ihrer quirrligen Lebensvielfalt der eigentliche Höhepunkt eines Shanghai-Besuches - auch weil man in diesen Vierteln in Shanghai bisher ohne jegliche Angst in diese fremde Welt eintauchen kann. Noch empfinden Chinesen relativ wenig Neid gegnüber dem Reichtum Dritter. Der wird halt Glück gehabt haben, kann nicht jedem so gut gehen. So lange er mir nichts weg nimmt.

Diese Art der Freundlichkeit ist bemerkenswert und wohl eine der Besonderheiten dieser Stadt in der so viele Welten aufeinander treffen.

[S u. F. Demmer] [Allgemeines] [Shanghai Tagebuch] [Wohnen in Shanghai] [Arbeiten in Shanghai] [Leben in Shanghai] [Unterwegs in China] [Bilder]