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Eisskulpturen –
Haerbin, Russia meets the West in China
Die Bilder gehen alljährlich um die Welt: Tempel, Fabelwesen, Märchenschlösser, Kathedralen, Triumphbögen, glitzernde Zaubergärten aus Eis. Das
Eislaternenfestival von Haerbin ist mit seinen ĂĽberdimensional in allen Farben neonstrahlenden Werken aus Schnee und Eis so etwas wie die eisgewordene Definition von Kitsch, aber manchmal muss es einfach Kitsch
sein.
In nur wenigen Wochen entstehen in zwei Parks zwei Welten aus Eis. Eis, das Block fĂĽr Block aus dem hier im Gegensatz zu Jilin dick vereisten Songhua Fluss
geschnitten wird, Eisbruch statt Steinbruch. Überall in der Stadt werden Blöcke abgeladen, zu Laternen, Skulpturen, Bänken und Geländern verarbeitet.
Ein Spektakel mit dem die Stadt sich aus dem Nichts präarktischer Landschaften in den Blickpunkt der Welt gearbeitet hat. Aber was ist das für ein Stadt.
Ein kleines verträumtes Nest nahe der russischen Grenze, in der Pelze gehandelt, Vodka getrunken und Borscht gegessen wird? Borscht ja – für 50 Cent den dampfenden Teller, wunderbar. Vodka? Auch ja, aber schon
1,50 Euro für den doppelten aus chinesischer Produktion, kann man machen. Pelze? Pelze, Werkzeuge, Waffen, Bärenpfoten, Yakhoden - alles was in Russland gerade nicht gebraucht wird und sich irgendwie
transportieren lässt, irgendwo in Harbin findet sich dafür ein Handelsplatz, dafür ist die Stadt berühmt. Verträumtes Nest? Nein, vorbei, und eigentlich war es das nie, sondern stets ein Brennpunkt
chinesisch-russisch-japanischer Geschichte. Um die Jahrhundertwende bauen sich Russen am Kopf einer von ihnen errichteten Bahnlinie ein mondänes Handelszentrum mit Pferderennen und Sommerfrische an den weiten
Sandbänken des Songhua. Eine Ausstellung in einer leicht angegrauten aber immer noch beeindruckenden russischen Kathedrale erzählt von dieser Zeit. Eine zweite russische Einwanderungswelle besteht 1917 aus
FlĂĽchtlingen vor den Bolschewiken. 1932 besetzen die Japaner die Stadt und schreiben in einem Lager fĂĽr Menschenversuche ein nur bestialisch zu nennendes Kapitel jĂĽngerer japanisch-chinesischer Geschichte, bis
sie 1945 von den Russen wieder vertrieben werden, die die Stadt 1946 wiederum den Chinesen ĂĽbergeben. Es folgen 4 Jahrzehnte als schmucklose aber hochproduktive Arbeiterstadt.
Das Haerbin von heute hat 9 Millionen Einwohner und kämpft einen inneren Kampf zwischen westorientierten Metropolenambitionen und altbewährtem
Grenzhandel-Kruscht-Krämertum. Man freut sich über KFC und McDonalds, aber Borscht, Lamm und Kartoffeln in Soße behalten noch die Oberhand – noch... .
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