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S u. F. Demmer
Unterwegs in China
Jilin

Eisdrachen –

Internationales Winter-Drachenbootrennen in Jilin 

Wenn es ein Film gewesen wäre, hätte ich auf einen Trick gewettet, aber es war keiner. Wie auch? Welcher Regisseur wäre schon auf diese Idee gekommen?

24 Gestalten in eisverkrusteten SkianzĂĽgen und ellbogenlangen Gummihandschuhen sitzen in einem eisverkrusteten Boot!

Und sie sitzen fest! Fest auf einem Stein, mitten in einem dampfenden Fluss, bei Minus 26 Grad!

Und dann das: Zwei Männer am Ufer, zwei Männer in Badehose, und was tun sie: Sie springen ins Wasser! Sie waten, schwimmen, keuchen sich über 30 Meter durch eisige Fluten bis sie die Crew der Skibeanzugten erreicht haben, die in einer Mischung aus Unglauben und Belustigung auf die Neuankömmlinge blicken:

„O.k. Freunde, wir sollen gerettet werden, aber tragt es mit Fassung, sie haben uns zwei Wahnsinnige geschickt!“.

 Das Wasser zieht vorbei, wo immer ein Tropfen hinspritzt, es gefriert in Sekunden. Rund 300 Kilogramm Boot und 1400 Kilogramm Insassen auf einem Stein quer in der Strömung und als Lösung dieser Lage zwei nackte Männer... . Himmel hilf - ein Boot – ein Königreich fĂĽr ein zweites Boot!

Fast 20 Minuten, bis zur absoluten Erschöpfung (auch unererseits, denn immer wieder kippt das Boot bedenklich zur Seite) mĂĽhen sich die beiden Eisschwimmer, lange, lange ĂĽber den Punkt hinaus an dem Kameraden sie aufgeregt zurĂĽckrufen: „Kommt raus, ihr seid zu lange drin.“  Aber was so richtige Eisschwimmer sind, die ... – die sind auch nur Menschen, die wenig später haltlos zitternd, zusammengerollt, von Decken umhĂĽllt am Boden des Motor-Bootes liegen, das uns schlieĂźlich doch aufnahm. Karsjen aus Holland will seinen Skianzug abstreifen, wird aber zurĂĽckgewiesen. Betroffen mĂĽssen wir zuschauen, wie unsere Helden vor sich hin wimmern, letztlich von Anfang an chancenlos im Kampf mit unserem ĂĽbermächtigen Drachen.

So sehr der Anblick traf, so viel mehr waren wir einfach erleichtert ans Ufer zu kommen. Das Boot hätte ebenso gut brechen wie kentern können und dann mit unseren SkianzĂĽgen im Fluss...  - gar keine gute Vorstellung! Nichts dergleichen war geschehen – nur eine kleine Narbe in der Sportlerseele war zu verzeichnen:

Draußen zogen die anderen Drachen ihre Runden im sechs Kilometer-Rennen. Fast mystisch anmutende Schattenrisse im Rhythmus der Trommeln. Was für ein Bild. Dafür hatten wir trainiert, bis zu 12 Kilometer pro Training bis kurz vor Weihnachten und nun waren wir kläglich gescheitert an einer übersehenen Untiefe bei der Startaufstellung – schlimmer noch: Schon im ersten 500m Rennen hatten wir im Nebel in den wechselnden Strömungen eine Kollision mit einem anderen Boot hinnehmen müssen – jetzt werden sie uns endgültig disqualifizieren... . Sie taten es nicht.

 

War es der Song “My Heart will Go On” aus dem Film „Titanic“, der uns in Erwartung der Eisfluten des Songhua zwar in bester Absicht, aber dann doch auch irgendwie unpassend gleich beim Frühstück vorgespielt worden war? Hatte der uns in die falsche Spur gebracht?

FĂĽr KC, unseren ehemaligen Landesrekordhalter ĂĽber die 300 Meter aus Singapur, war die Ursache unserer Missgeschicke eine klare Sache:

„Wir haben den Drachen vor den Kopf gestoßen.“

Ungläubige Blicke.

Stoße niemals einen Drachenkopf! Wir haben es getan, erinnert Euch, noch vor dem Start, das erste Boot, das uns zu nahe kam, ihr habt es am Kopf zurück gestoßen – Never push the Dragonhead. Never!“

Die zerknirrschte Ruhe und Ernsthaftigkeit, mit der der im Bauwesen tätige Unternehmer das sagt, kann uns dann doch nicht kalt lassen. “O.k., nächstes Mal keine Hände mehr an einen Drachenkopf, nie mehr.“ So oder so: abhaken. 

Das geschah grĂĽndlich des Abends in der „Bar Code Bar“, in der vier junge Live-Protagonisten auch den letzten Unmut aus uns heraus sangen und fidelten, wahrend wir – wie in Jilin Sitte - mit Faustkegeln aus Holz den Takt auf die Tische schlugen oder einfach abtanzten, mit gutem Fassbier fĂĽr 10 Quai, 1 Euro 25. Am nächsten Abend bei der Abschlussparty legten wir an gleicher Stelle noch mal einen drauf - denkwĂĽrdig. 

Ja der nächste Tag: Der Morgen beginnt wenig vielversprechend: 2 Stunden Startverschiebung weil auf dem Fluss bedrohlich große Eisschollen vorbei ziehen. Rumsitzen im Bus bis es einigen von uns zu viel wird und wir nach kurzen Übungen hinterm Bus auf der Uferpromenade eine Tanz-Polonaise starten, die sowohl von einem weiteren Team aus Macao als insbesondere auch von den zuschauenden Chinesen, Kamerateams und Pressefotografen dankbar aufgenommen wird. Das ist unser Job, wir sind das „Shanghai International Friends Team“, eine von nur drei internationalen Mannschaften, da kann man sich nicht nur im Bus verschanzen.

Am Abend erhalten wir tatsächlich einen Sonderpreis für unsere Kooperation. Fein.

Sportlich werden wir es an diesem Tag zumindest schaffen, in den drei noch ausstehenden Rennen in Kleinbooten (10 Paddler) zum einen unbeschadet ins Ziel zu kommen, zum anderen uns für alle Beteiligte packende Duelle mit anderen Drachen zu liefern. Höhepunkt: das Mixed-Rennen. Der besten Strömung folgend finden wir uns schon kurz nach dem Start Bordwand an Bordwand auf gleicher Höhe mit dem Team der Hongkong-Police. Der Kampf beginnt, Kopf runter, vergessen sind die kälteschmerzenden Finger, Arme werden gestreckt, mit schneidenden Geräuschen Eisschollen durchbrochen und wechselweise Tempoverschärfungen ausgerufen – Man kann die eintauchenden Paddel der anderen hören. Erst rund 50 Meter nach dem Ziel werden beide Boote gewahr, dass alles eigentlich schon vorbei ist – mit welchem Ergebnis auch immer. Wichtiger: Am Ufer ankommend offenbart sich ein weiteres Mal die schönste Seite dieses in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Rennens. Jeder weiß was der andere gerade mitgemacht hat und so gibt es nur noch jubelnde Umarmungen und Shakehands mit den anderen Teams. Diese Stimmung war nach der langen Wartezeit an diesem Tag schon im Line-up Areal aufgekommen, wo zum Aufwärmen gesungen und wechselweise eingepeitscht wurde: Eine Treppe voller Fotografen und Fernsehkameras schaute auf rund 100 Paddler die zuerst ausgelassen zu Cheer-Versen eines Teams tanzten, um dann gemeinsam: „Women yao bisai“, zu rufen: „Wir wollen unser Rennen!“ Das hatten schließlich alle, das kälteste der Welt – und zwei Schwaben-Kanuten und ein Sachse waren auch dabei!

 Zwei tolle Bilder gibt es unter:

http://news.sohu.com/82/11/news205481182.shtml

 

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